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GESCHICHTE

„Most, dem sie (menstruierende Frauen) in diesem Zustand zu nahe kommen, wird sauer, Feldfrüchte werden durch Berührung unfruchtbar, Setzlinge sterben ab, Gartenpflanzen verdorren, und die Früchte der Bäume, auf denen sie gesessen, fallen ab; der Glanz der Spiegel wird schon durch das Hineinsehen matt, das Eisen verliert seine Schärfe, das Elfenbein seinen Glanz, Bienenstöcke sterben aus, Erz sogar und Eisen befällt sogleich der Rost und widerwärtiger Geruch die Luft, Hunde, welche an dem Blut geleckt haben, geraten in Wut und ihr Biss wird durch unheilbares Gift verseucht.
(Gaius Pinius Secundus 23–79 n.Chr., Naturalis historia) [1] [2]

Antike
In der Antike setzten sich vornehmlich männliche Philosophen und Historiker mit dem Thema Menstruation auseinander. Dabei wurde stets der Körper des Mannes als Ausgangspunkt ihrer Studien verwendet, jener der Frau wurde als minderwertig betrachtet. Da die Monatsblutung nur bei der Frau auftritt, wurde sie als weiteres Zeichen der Unvollkommenheit des weiblichen Körpers gedeutet[3] [EIN-GESCHLECHT-MODELL]

Frühere Philosophen sahen die Menstruation als einen Reinigungsprozess, den der Körper der Frauen einmal im Monat durchlaufen müsse. Pythagoras (griechischer Philosoph, 570–510 v.Chr.) sah in der Menstruation einen natürliche Ausscheidungsvorgang von überschüssigen Nährstoffen. Hippokrates (bedeutendster Arzt der Antike, 460–370 v.Chr.) sah die Frau in der Humoralpathologie (Lehre von den Körpersäften) als „zu feucht" an, deswegen würde sie Flüssigkeit ansammeln, die einmal im Monat entweichen müsse. Aristoteles (griechischer Philosoph, 384–322 v.Chr.) sah den männlichen Samenerguss als Parallele zur Menstruation. [3]

Gaius Plinius Secundus (römischer Historiker, 23–79 n.Chr.) auch als Plinius der Ältere bekannt, schilderte in seinem Werk „Naturalis historia" (Naturgeschichte), dass aus dem Menstruationsblut neues Leben entstehen würde. [2] Wie mit einem Kuchen vergleichbar, übernehme der männliche Samen die Rolle der Hefe, wodurch der Teig aufgehe und in Form gebracht werden würde. Außerhalb der Schwangerschaft sei das Blut giftig. Frauen würden den Kontakt nur überleben, da sie durch jahrelange Gewöhnung Immunität erlangt hätten. (siehe obiges Zitat) [3]

Mittelalter
Im Mittelalter wurden die Lehren von Gaius Pinius Secundus weiterhin propagiert, die monatliche Blutung galt als Beweis für die Minderwertigkeit der Frau. Hildegard von Bingen (Benediktinerin, Dichterin, Universalgelehrte 1098–1179) teilte in ihrer „causae et curae" (Ursachen der Behandlung) mit, dass bei Eva die erste Periode im Anschluss an den paradiesischen Sündenfall aufgetreten sei. Allerdings erkannte sich auch die Beziehung zwischen Menstruation und Fruchtbarkeit. [3] [4]

Aufklärung
Zur Zeiten der Aufklärung wurde dem Mann das Rationale, und der Frau das Unbeherrschte, Animalische zugeschrieben. Jean Jaques Rousseau (europäischer Schriftsteller und Philosoph der Aufklärung, 1712–1778) sah die Menstruation als Zivilisationskrankheit, als natürliche Reaktion des weiblichen Körpers auf zu wenig Bewegung, zu viel Essen und eine eingeschränkten Sexualität. [3]

Moderne
Die Mythen um die Menstruation setzten sich bis ins 20. Jahrhundert fort. So stellte im Jahr 1919 der Wiener Kinderarzt und Immunologen Béla Schick (1877–1967) fest, dass Rosen schneller verwelken würden, wenn sie von der menstruierenden Haushaltshilfe berührt würde.

Die medizinhistorische Randnotiz über die vermeintliche Entdeckung des Menstrualgiftes „Menotoxin" wurde längere Zeit untersucht. Erst 1958 konnte die Legende vom Menotoxin durch den Mediziner Karl Johann Burger (Universitätsfrauenklinik Würzburg, 1893–1962) entkräftet werden. [3] [5]

Religion
Auch in religiösen Glaubensgemeinschaften existieren Tabus und Verbote um die Monatsblutung. Eine menstruierende Frau gilt oftmals als unrein. So wurde zeitweise im Christentum, im Judentum und im Hinduismus der Frau die Teilnahme an rituellen Handlungen verboten. Diese Ausgrenzung, die sich teilweise auch auf das Betreten von Tempeln und die Teilnahme am sozialen Leben erstreckte, wird nach wie vor in manchen Teilen der Welt propagiert. [3] [6] [7]

Andererseits gibt es, etwa in heidnischen oder esoterischen Traditionen, den Kult um die Mondgöttin. Im weiblichen Zyklus, der synchron mit den Mondphasen verlaufen kann, offenbart sich im Körper der Frau das Göttliche. [8] [9] [10]

Kunst
Die Menstruation wird nach wie vor von vielen Kulturen als Frauenproblem gesehen, über das nicht geredet werden soll. In der Filmkomödie "Superbad" (2007, Regie: Greg Mottola *1967) [11] etwa wird dem Menstruationsblut mit großem Ekel begegnet. [12]

Andererseits gibt es auch Filme wie „Elegy" (2008, Regie: Isabel Coixet *1960) [13] oder „Sprich mit ihr" (2002, Regie und Drehbuch: Pedro Almodovar *1949) [14], in denen die Monatsblutung als spannendes Symbol des mystischen Weiblichen eingesetzt und sichtbar gemacht wird.

In der Bildenden Kunst brechen Künstler_innen das Tabu um die Menstruationsflüssigkeit indem sie es für ihre Werke verwenden. Dazu gehören etwa Sarah Lewy, John Anna, Vanessa Tiegs oder Jen Lewis, welche Bilder und Videos mit ihrem Menstruationsblut erschaffen. [15] [16]

Casey Jenkins sorgte mit ihrer Kunstperformance „Vaginal Knitting" (2013), welche sich mit ihrer Vagina und ihrer Monatsblutung auseinandersetzte, für teils heftige, abwertende Reaktionen. [17] [18]

Die junge Bloggerin Rupi Kaur provozierte bewusst das Internetportal Instagram mit einem Foto, auf der sie mit einem Blutfleck im Schritt der Jogginghose zu sehen war. Das Bild wurde gelöscht. Die Zensur von Instagram löste eine Debatte rund um die Sozialen Netzwerke aus. Schlussendlich zog das Internetportal die Zensur zurück, und entschuldigte sich bei Rupi Kaur für das Vorgehen. [19] [20]


Weiterführende Links:

VAGINAL KNITTING, Casey Jenkins, 2013 (YouTube)

VAGINAL KNITTING Reaktionen:
Vaginal Knitting REACTION!!!, 2013 (YouTube)
Vaginal Knitting WHY OH WHY Review/Reaction, 2013 (YouTube)
Vaginal Knitting REACTION, 2013 (YouTube)

Lacy Green, PERIOD HATIN', 2013 (YouTube)